Golf

FCK NZS - Die Verantwortung des Erinnerns

23. April 2025

Ob in Springerstiefeln und Nazi-Binde oder prägnanter roter Krawatte - Faschismus kann in vielen Gewändern auftreten. Wie erkennt man nun das getarnte Böse? Auf diese Fragen versucht Umberto Eco in seiner Rede Der ewige Faschismus eine Antwort zu geben, in dem er den Ur-Faschismus - das Fundament aller faschistischen Strömungen - charakterisiert.

Im Ur-Faschismus verliert das Individuum seine eigene Meinung in der Masse, die führenden Mächte werden zum Sprachrohr der Bevölkerung. Im Schatten der Massen übernehmen sie die Kontrolle über den Willen der Allgemeinheit. Um strikte Ideologien zu vermitteln, braucht es Sprache, die so lange manipuliert wird, bis sie nur noch die gewünschten Prinzipien darstellen kann. Damit schützt der Faschismus sich selbst, denn wie soll man einen Sachverhalt kritisch hinterfragen, wenn es keine Wörter gibt, um dies auszudrücken? Newspeak, aus dem Roman 1984 von George Orwell, ist ein dystopische Beispiel dafür. Die autoritäre Regierung des Staates verändert die Sprache konstant, neue Wörter werden erfunden, alte werden aus dem Kollektivwissen gelöscht. Durch den Verlust von Wörtern verschwinden auch die Gedanken hinter ihnen.

"Don't you see that the whole aim of Newspeak is to narrow the range of thought? In the end we shall make thought-crime literally impossible, because there will be no words in which to express it."

- George Orwell, 1984

Die Sprache der Nationalsozialisten

Die Nationalsozialisten unter Hitler waren sich der Bedeutung des Werkzeugs Sprache bewusst. Sie kreierten neue Begriffe, um ihre Ideologie und Taten zu normalisieren. So wurde aus einer Massenvernichtung die akzeptablere Endlösung. 1941 standen im Duden schon über 800 neuer NS-Begriffe. Sprachformen wurden nicht nur erschaffen, sondern auch zerstört bzw. verbrannt, wie bei der Bücherverbrennung 1933 in Berlin.

"[...]hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwenden, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag.“

- Adolf Hitler, Mein Kampf

Wir erhalten nur durch Abgrenzung zwischen anderen Konzepten eine Definition für ein Wort in unseren Gedanken. Die Grenzen zwischen verschiedenen Begriffen, wussten die Nazis gezielt verschieben. Sie erschufen eine irreale Trennlinie zwischen rein und unrein, übermittelten dadurch ihre rassistische Ideologie. Sie nutzen ebenfalls gezielte Begriffe aus bestimmten Sprachbereichen, Assoziationen in den Köpfen der Menschen zu nutzen. Feinde des Staates wurden zu Volksschädlingen. Ein Mensch wird durch einige Buchstaben zu einem Tier, einer Plage, die es zu bekämpfen gilt.

Wie gehen wir heute mit dieser Sprache um?

Sich gegen Faschismus zu wehren ist schwierig, unter anderem da die Definition nicht eindeutig ist, umso wichtiger die Frage: Wie sollen wir mit der Sprache der Nationalsozialisten umgehen?

Die Methoden, um Faschismus aus Sprache zu entlarven ist kritisches Denken. Ein aktuelles Mittel wie heute insbesondere in der Kunst mit Nationalsozialistischem Newspeak umgegangen wird, ist Satire. Mit Ironie wird auf die Banalität und Irrationalität von manchen Konzepten hingewiesen. Beispielsweise in dem Musikvideo von Deutschland der Band Rammstein, in dem die deutsche Geschichte nachgespielt wird, singt ein Häftling eines Konzentrationslagers die erste Strophe der deutschen Nationalhymne "Deutschland, Deutschland über alles". Die Ironie soll in dieser Situation aufzeigen, wie banal die Idee ist, dass ein deutscher der seinem Land treu ist, grundlos von demselben systematisch ausgelöscht wird. Zugleich wird die Seriosität und der Härte der Situation in den Lagern bewahrt und realistisch abgebildet. Die Ironie spiegelt sich auch im Bild wider. Auf dem Schild neben den Häftlingen steht "Fotografieren verboten" - eine Anspielung auf den Widerspruch der Nazis, ihre Gräueltaten verschleiern zu wollen, gleichzeitig aber aus lauter Stolz auf ihr System sich aber nicht abhalten konnten ihren "Erfolg" festzuhalten.

Ausschnitt vom Musikvideo "Deutschland" von Rammstein

Prägnant ist auch die Wiederholung von dem Motto Du-Ich-Wir-Ihr. Es soll auf die Denkweise aufmerksam machen, die Die Bevölkerung spaltet eine Grenze in unseren Köpfen, zwischen dem Ihr und dem Wir zieht. Wie es Eco in seiner Rede beschreibt, bedroht im faschistischen Regime ein Feind das reinrassige, bessere Volk von aussen wie auch von Innen, es gibt eine Verschwörung gegen die Bevölkerung. Du (übermächtig, überflüssig), Ich (Übermenschen, überdrüssig) - Das Ich, ein Einzelner, in dem Wir des Nationalsozialismus wird als besserer Mensch gezeichnet der genug von dem Du, dem gefährlichen und überwältigendem Feind hat und sich wehren muss.

Gegen das Vergessen

Wie wir im Unterricht im Zusammenhang mit unserer Lektüre zu dem Holocaust besprochen haben, ist die Erinnerungskultur der Opfer des Nationalsozialismus von enormer Wichtigkeit. Die Geschehnisse der Vergangenheit müssen dokumentiert werde, die Geschichte soll nicht wie in 1984 auf Belieben veränderbar sein. Ich finde es deshalb wichtig, dass unter anderem Sprache aus dem NS-Regime nicht aus unserem Sprachgebrauch verschwindet und aktive verwendet wird. Nur wenn sich die Bevölkerung dem Mechanismus der Sprache bewusst ist, kann Faschismus bekämpft werden. Durch aktives Erinnern und Aufarbeiten entsteht ein öffentliches Bewusstsein – ein gewisser Schutz und eine Sensibilität gegenüber faschistischen Tendenzen. Durch die Bildung der Allgemeinheit kann Faschismus wirksam verhindert werden. Es soll kein Newspeak entstehen in denen Holocaust oder Endlösung keine Definition haben. Nur dadurch, dass es die Wörter gibt, kann man sich überhaupt daran erinnern.


Quellen: Der ewige Faschismus - Umberto Eco; Einführung in die germanistische Linguistik - Hentschel und Harden; Lied Deutschland von Rammstein; ChatGPT (Kürzen und Titel); https://www.goodreads.com/quotes; https://www.bpb.de/themen/parteien/sprache-und-politik/42752/sprache-und-sprachlenkung-im-nationalsozialismus; https://www.aargauerzeitung.ch/kultur/musik/verdorbene-liebe-geht-rammstein-mit-dem-neuen-videoclip-zu-weit-ld.1355133; https://www.zeit.de/kultur/musik/2019-03/rammstein-video-deutschland-holocaust